WASHINGTON, D.C. 30. SEPTEMBER 2019
Vor meinem morgigen Vortrag in der Library of Congress in Washington besuchte ich am heutigen Mittag die Benjamin Banneker Academic High School, eine öffentliche „Magnet“-School mit Schwerpunkt auf den Bereichen Science and Technology für stadtweit nur über Aufnahmeprüfungen zugelassene Schüler zwischen dem dritten und dem neunten Schuljahr. Wie man mir mitteilte, ist diese Schule von Barack Obama während seiner Präsidentschaft zweimal aufgesucht worden.
Auf der Fahrt zur Schule erfuhr ich den Plan, zusammen mit einem didaktisch und persönlich überzeugenden und entsprechend beliebten jungen Lehrer zwei aufeinanderfolgende, 50-minütige Unterrichtsstunden in den Fächern „Social Science“ und „History“ mit jeweils verschiedenen, aus ca. 17-jährigen, fast ausschließlich schwarzen Schülerinnen und Schülern bestehenden Gruppen spontan mitzugestalten.
Zu Beginn stellte ich die Grundgedanken meines morgigen Vortrags „Democracy will win“ vor. Dabei ging es um die Fragen: 1.) Was sind die Hauptmerkmale der Demokratie? 2.) Wo liegen die Gefahren für einen missbräuchlichen und schädigenden Umgang mit ihr? Und 3.): Wie kann diesen Gefahren am besten vorbeugend begegnet werden? Nach meinem kurzgefassten Input diskutierten die in Kleingruppen eingeteilten Schüler die Inhalte der drei Fragen durch. Zuletzt wurden die verschiedenen Beiträge gesammelt und zu Ergebnissen zusammengefasst.
In der zweiten Unterrichtsstunde im Fach Geschichte lag der Schwerpunkt auf den teilweise extrem unterschiedlichen, sich zwischen Katastrophen und Neuanfängen bewegenden Verläufen der Demokratien in Europa und derjenigen in den USA im 20. Jahrhundert. Der für mich eindrucksvollste Schülerbeitrag bestand in der Forderung nach größtmöglicher öffentlicher Transparenz politischer Entscheidungen als unverzichtbarem Kriterium für demokratisches Handeln. Dies konnte ich mit der ermutigenden Feststellung unterstreichen, dass sich besonders die amerikanische Demokratie, trotz ihrer gegenwärtigen Krise und im Gegensatz zu den gleichgeschalteten Medien einer Diktatur, durch eine riesige Vielfalt an Medienberichterstattung auszeichnet, bei der jeder Bürger sich, wenn auch durch einen Dschungel bewusst lancierter Fake News hindurch, frei informieren und auf diese Weise zu einer kritischen Sichtweise als Voraussetzung für autonomes Handeln gelangen könne.
Im Vergleich zu dem in Europa oft vermittelten Bild eines unterentwickelten US-amerikanischen Schulwesens war dieser Schulbesuch für mich eine denkwürdige Mahnung, mit diesbezüglichen Beurteilungen vorsichtig umzugehen.