Thomas Manns Flügel im „Weißen Haus des Exils“

Im Frühjahr 1944, als das siegreiche Ende des Krieges absehbar wurde und sich bei meiner Familie eine erste innere Entspannung auszubreiten begann, beauftragte mein Großvater meine Eltern, für ihn in San Francisco einen Flügel zu besorgen. Im April kam dann der Baby Grand Piano (Stutzflügel) von der New Yorker Firma Wheelock ins Haus, der bis zur Rückübersiedlung meiner Großeltern nach Europa 1952 durchgehend an der Stelle im Living Room stand, wo er jetzt seit einigen Wochen wieder seinen alten Platz gefunden hat. Ich nenne ihn gern den „Faustus“-Flügel, da er praktisch die ganze Niederschrift des Musikerromans begleitet hat und T.W. Adorno seine Einführungen in die Grundlagen der Zwölftonmusik bestimmt teilweise auch an diesem Instrument vornahm.

Ab Sommer 1944 finden sich in Thomas Manns Tagebüchern auffallend viele Einträge über Klavier-, Kammermusikabende, die mit diesem Instrument bestritten wurden. Das historische Foto an diesem Flügel mit dem mit Thomas Mann noch aus der alten Münchner Zeit eng befreundeten Dirigenten Bruno Walter am Flügel aus dem Jahr 1946 ist oben in der rechten Bildhälfte abgebildet. Thomas Mann selbst pflegte nach seinen eigenen Angaben auf ihm zwischendurch auch gern selber wagnerianisch herumzuimprovisieren.

Beim Einzug in Thomas Manns letzter Adresse in Kilchberg am Zürichsee im Frühjahr 1954 kam dieser Flügel zusammen mit dem wichtigsten Mobiliar aus Pacific Palisades mit und wurde auch bei der musikalischen Umrahmung der Kilchberger Hauseinweihungsfeier mit eingesetzt. Mit ihm bestritt ich ab Ende der Fünfzigerjahre dort meine ganze musikalische Ausbildung am Zürcher Konservatorium. Nach dem Tod meiner Großmutter kam er endgültig nach Deutschland, wo ich ihn über einige Wohnortswechsel und einer zweimaligen Generalüberholung bis kürzlich in München bei mir hatte.

Aus Dankbarkeit für den Erwerb und die Umwidmung von Thomas Manns früherem kalifornischem Exilhaus in eine Stätte des transatlantischen Dialoges im Dienste von Demokratie und Frieden durch die deutsche Bundesregierung habe ich dieses historisch symbolträchtige und gleichzeitig in die Zukunft weisende Instrument – ich glaube ganz im Sinne meines Großvaters – als Geschenk an die Bundesregierung wieder in sein ursprüngliches Zuhause zurückgegeben.