Heartlands: Denver und Kansas City
25. bis 28. September 2019
Denver/Colorado in Midwest der USA, mit Blick auf die Rocky Mountains und umgeben von einer Prärienlandschaft, wie sie in den Büchern von Karl May beschrieben wird, ist dank der Olympischen Winterspiele 1976 zu einer modernen Wolkenkratzer-Stadt mit einer dreiviertel Million Einwohnern angewachsen. Das erste, was ich auf der Fahrt vom Flughafen von dem mich betreuenden deutschen Honorarkonsul Paul Maricle erfuhr, war, dass er mit seinen Bemühungen um einen Highschool-Besuch in Denver am Folgetag gescheitert war. Alle angefragten Schulleiter hätten mit der Begründung abgesagt, die momentane, quer durch die Schulklassen und die Elternschaft gehende politische Polarisierung in der Bevölkerung (wohl besonders wegen der Ereignisse um das Weiße Haus in jenen Tagen) wäre so groß, dass jedes Gespräch über Demokratie und andere „aufwiegelnde“ Themen in die Schülerschaft und deren Familien zu viel Unruhe bringen würde und man daher besser von meinem Besuch absehen wolle. Wie paradox, zumal ein Teil meiner vorgesehenen Botschaft ja gerade sein sollte, dass Wegschauen und Schweigen zu den gefährlichsten Widersachern eines friedlich demokratischen Zusammenlebens gehörten. Umso mehr konzentrierte ich mich dann auf die Abendveranstaltung in einem kleinen Klubraum in der Stadt mit an die 15 Hörern aus verschiedenen städtischen Gruppierungen (Goethe Club, Mitglieder der örtlichen Handelskammer usw.), die sich um den deutschen Konsul scharten. Man hörte meinem Vortrag interessiert und wohlwollend zu. Im Anschluss wurde da und dort Skepsis gegenüber „zu viel Dialog“ laut und auch das von Einigen allzu aufgebauscht reklamierte Erstarken nationalistischer und fremdenfeindlicher Tendenzen in Deutschland schien mir einem deutlichen Bewusstseinsrückstand in dieser etwas abgelegenen Region zu entspringen. Trotzdem freute ich mich über den insgesamt freundlichen Zuspruch. Besonders lebendig und lange unterhielt ich mich vor und nach dem Vortrag mit dem in den Fünfzigerjahren in die USA eingewanderten Franzosen Michel, der mir gegenüber verschämt bekannte, er würde unter der Enge und Provinzialität dieser Stadt doch etwas leiden.
Am nächsten Tag ging es in aller Frühe weiter in das etwa anderthalb Flugstunden Richtung Osten gelegene Kansas City, eine kleinere, ältere und hübscher und stilvoller wirkende Stadt. Dort ging es vom Flughafen direkt zur etwas außerhalb liegenden großen, superneuen Staley Highschool, wo mich, wie zur Entschädigung für gestern, 80-90 schätzungsweise 16-jährige Kids aus drei verschiedenen Klassen und vier Fachlehrer empfingen. Ich erläuterte ihnen zuerst den aktuellen Grund und den biographischen Hintergrund meiner Reise und gab ihnen meinen politischen Standort zu erkennen. Dann fragte ich die Schüler nach ihrer Meinung zum Bau der Mauer an der Südgrenze zu Mexiko.
Die Antworten fielen kontrovers aus, wurden jedoch wegen der großen Zahl der Anwesenden nicht weiter vertieft. Ähnlich überraschend gegensätzlich war die Reaktion auf meine zweite Frage, ob sie denn glaubten, die USA wären besser beim Klimaabkommen von Paris geblieben statt auszutreten. Gewundert habe ich mich dann auch über die an mich gerichtete Frage eines der Lehrer, was ich denn vom „sozialistischen“ System einer Gesundheitsversicherung (im Sinn von Obamacare) hielte. Nach wie vor empfand ich es immerhin als wichtigen Schritt zu einem Dialogwillen, dass sich so viele Kinder und Lehrer bereitwillig und freundlich auf dieses rund halbstündige Gespräch mit mir als Reisenden in Sachen Demokratie eingelassen hatten. Einige der Schüler kamen nach der Zusammenkunft sogar zu mir nach vorn und bedankten sich herzlich.
Bei meinem sich bald anschließenden Abendvortrag in der Public Library Plaza Branch unter der Gilde von Goethe Pop Up in Kansas City fühlte ich mich wieder mehr in meiner europäischen Welt oder auch in der der amerikanischen Küstenregionen. Die Leitung der Bibliothek und die des Goethe Instituts, die aufmerksam rezipierenden und anschließend nachfragenden Hörer und das sich an den Vortrag anschießende Panel (Podiumsgespräch) – besonders mit dem vielseitig gebildeten und sehr angenehm dezent und bescheiden wirkenden Filmakademie-Professor Dr. Larson Powell – erwies sich als eine erfreuliche Abrundung meines Besuchs in Kansas City.