CALIFORNIA STATE UNIVERSITY
LONG BEACH 9. Oktober 2019
Ein besonderer Tag war mein Aufenthalt auf dem Campus der Cal State University in Long Beach südlich von Los Angeles. Eingeladen hatte mich der Program Director and Graduate Advisor für das Fach Deutsche Sprache und Literatur, Dr. Jeffrey L. High, in den großen Kreis seiner enthusiastisch ihm anhängenden Schüler. Als erstes führte ich ein Gespräch über den Mut zur Demokratie mit Studierenden im Rahmen eines von Jeff geleiteten, stark politisch orientierten Schiller-Seminars.
Nach dem Lunch mit diesem Kurs und anderen Studenten hielt ich meinen Standardvortrag „Democracy will win“ vor rund neunzig Studenten und dazugekommenen Highschool-Schülern. Noch nie während meiner Vortragsreise war das Interesse und die Aufmerksamkeit so groß wie hier für die Geschichte der Demokratie und deren heutige globale Gefährdung, besonders aber in den USA und in Europa. Der Fokus auf den offenen Dialog als Gegengewicht zur heutigen extremen Polarisierung überall im Land, das Einstehen stattdessen für einen engen, vernetzten Zusammenschluss aller für ein verantwortungsbewusstes und demokratisches Miteinander kämpfender Menschen – all das kam gut an!
Ein besonderes Echo fanden meine Ausführungen über den aus den ältesten klösterlichen Traditionen aller Religionen stammenden und heute im deutschen Trägerverein „Weltkloster“ weiter geübten Erfahrungsdialog. Die Vertiefung dialogischer Verbundenheit erstens durch introspektives Erfassen der Anbindung an die eigene religiöse oder sonstige geistige Grundhaltung und Überzeugung, besonders in der innehaltenden, meditativen Stille, und das durch die so gestärkte eigene Identität geförderte empathische Verstehen und Ernstnehmen des Gesprächspartners wurden gut verstanden. Mehr noch: Diese Dialogform fand ansatzweise auch schon in der politischen Praxis herausragender Staatsmänner und Diplomaten (wie beispielsweise beim legendären, ersten israelischen Ministerpräsidenten und Staatsgründer David Ben-Gurion) Einzug und lässt sich als Modell auf eine Gesprächskultur im Rahmen kontrovers sachlicher Auseinandersetzungen im politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Dialog übertragen. Pate gestanden dafür hat das dialogische Ich-und-Du-Prinzip des reformjüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. Nicht zuletzt konnte ich auch noch hinweisen auf Thomas Manns dialogische Verbundenheit mit der Unitarischen Kirche von Los Angeles im Rahmen seines leidenschaftlichen Einstehens für Humanität und Demokratie während seines amerikanischen Exils.
Die erste öffentliche Frage einer Studentin in der nachfolgenden Diskussion lautete, wie sich denn diese Art von Erfahrungsdialog erlernen ließe. Ich stellte gleich klar, dass es sich dabei um keine zu trainierende Gesprächstechnik handle, sondern um eine Haltung, um ein Zurücktreten und Innehalten und eine in innerer Stille zu vertiefende Grundeinstellung. Diese ließe sich mit Übungen etwa in „Mindfulness“ oder Yoga zusätzlich festigen, wie sie in der Tradition alter asiatischer Religionen und Philosophien gründen, die aber in der Praxis oft oberflächlich gehandhabt werden. Wer dies genauer ergründen wolle, so schloss ich, könne sich jederzeit in vorhandenen Klöstern beliebiger religiöser Zugehörigkeit orientieren.
Ein erstes Fazit stellt sich bei mir ein: Was sich derzeit in diesem politisch tief gespaltenen Land auch immer weiter ereignen mag, so hege ich nach meinen Erfahrungen hierzulande trotz allem die Zuversicht, dass Amerikas Demokratie auch diese Krise überstehen wird. Eine wichtige Hoffnung setze ich dabei in Amerikas junge nachwachsende Generation, die sich überall mit zunehmend lautstarker Kritik Gehör verschafft. Umso mehr freue ich mich auf meinen morgen beginnenden, zehntägigen und mit einer ganzen Reihe von Aufgaben versehenen Aufenthalt wieder an der amerikanischen Ostküste, als Fellow im Dartmouth-College in New Hampshire.